Im Südwesten der Südinsel befindet sich das Fiordland, Neuseelands
größtes und unzugänglichstes Wildnisgebiet! Die Region, zugleich größter
Nationalpark des Landes, ist von 15 Fjorden durchzogen, die von der
Tasmansee weit ins Landesinnere reichen.
Ursprünglich ging man
davon aus, die zerklüftete Landschaft sei durch Flüsse geformt worden.
Inzwischen ist jedoch bewiesen, dass sich während der letzten Eiszeit Gletscher durch das Gestein frästen und die Fjorde entstehen ließen. Dennoch tragen die meisten der Meerarme weiterhin den Namen Sound, der
ihnen missverständlich von den Entdeckern gegeben worden war.
Milford Sound
Der bekannteste der fünfzehn Fjorde ist der Milford Sound. Jährlich
zieht dieser magische Ort 500.000 Besucher in seinen Bann. Steile
Felswände, die nach starken Regenfällen von gigantischen Wasserfällen
übersät sind, ragen aus dem Meerwasser empor und geben dem Besucher das
Gefühl, winzig klein zu sein.
Die Szenerie wird vom 1692 Meter hohen Mitre Peak dominiert, der sich im flachen Wasser des Fjords spiegelt.
Mitre Peak
Als wir im Laufe des 4. Aprils den Kepler Track beendeten, waren die
letzten 16 Reisetage bereits detailliert durchgeplant. Sogar
ein Zeitpolster für den Fall einer Schlechtwetterperiode hatten wir einkalkuliert. Was konnte jetzt noch schiefgehen?
Wettervorhersage Milford Sound
Obwohl es sich beim Milford Sound bekanntermaßen um eines der regenreichsten Gebiete der Erde handelt, hatten wir das Niderschlagsrisiko unterschätzt! (jährlich ca. 8 Meter Regen pro Quadratmeter -> etwa 13 mal so viel Niederschlag wie in London) Addiert man die Regenstunden eines Jahres, so erhält man einen Wert von etwa 200 Tagen. Erwischt man hier einen Sonnentag, kann man also wahrlich von Glück sprechen!! Nach einem kurzen Blick auf die Wettervorhersage entschlossen wir uns, alles auf eine Karte zu setzen und auf sonniges Wetter am Freitag den 8. April zu spekulieren.
Zwar verzockten wir unser Zeitpolster, doch wir wurden mit traumhaftem Sonnenschein am Milford Sound belohnt. Unser Kalkül war aufgegangen!
Früh am Morgen schlossen wir uns einer Bootstour an, die über die gesamte Länge des Fiords (15 km) hinaus auf die Tasmansee führte.
Zunächst lag der Fjord im Schatten-
tosende Wasserfälle
Regenbogen-Wasserfälle
In der Nähe des Homer Tunnels - nach starken Niederschlägen sind an den Felswänden gigantische Wasserfälle zu sehen. Die größten von ihnen stürzen etwa 1000 Meter in die Tiefe.
Im Anschluss an die Bootstour entschlossen wir uns kurzfristig für eine anspruchsvolle Bergwanderung:
Achtung: Unmarkierte Route! Die von anderen Trampern errichteten Steinhaufen boten die einzige Orientierungsmöglichkeit.
Die unmarkierte Route lief gradewegs auf eine Felswand zu, überquerte einen Gebirgsfluss, machte dann einen kleinen Schlenker nach links und führte über einen Kletterabschnitt hinauf zum Saddle. An den Felsen waren Stahlseile angebracht, ohne deren Hilfe einige Passagen nicht zu bewältigen gewesen wären.
Teils laufend, teils auf allen Vieren krabbelnd, teils kletternd legten wir die Strecke zum Saddle zurück. Unterwegs waren wir verschiedensten Gefahren ausgesetzt, die uns immer wieder vor Herausforderungen stellten: Abgesehen von der extremen Steigung ging von losen Felsbrocken und dem glitschigen Gestein eine große Gefahr aus. Zudem war das Steinschlag-Risiko nicht zu unterschätzen! Marc hatte zu Beginn Glück, als ihm ein lockerer Stein unter dem Fuß wegbrach und der Sturz nur mit einem offenen Knie und Schürfwunden an beiden Armen endete.
Blick vom Saddle auf Teile des Milford Sounds! Der Vollständigkeit halber habe ich dieses Bild in den Blog aufgenommen, obwohl der Unterschied zur Realität kaum größer sein könnte. (Der Sonnenstand war für Photos nicht gerade ideal)
Das absolute Highlight war jedoch der Blick vom Barrier Knob!
Doch der Weg zu diesem wundervollen alpinen Panorama war beschwerlich und mit erheblichen Risiken verbunden. Vom Saddle aus kletterten wir die letzten 500 Höhenmeter bis zum Gipfel, zunächst über nasses, später über gefrorenes Gestein, und mussten uns, angesichts der fortschreitenden Zeit, auf den Extremfall vorbereiten, den Parkplatz erst im Dunkeln erreichen.
Der Gipfel war gerade so ohne Spikes bezwingbar! Nach diesem Klettererlebnis hätten wir dem Kollegen vom Routeburn Track bewiesen, dass wir in der Lage sind, es mit den schwierigsten Wanderrouten Neuseelands aufzunehmen. Es bleibt allerdings ungeklärt, ob es auch für den Mt. Owen gereicht hätte.
Mehrfach dachten wir darüber nach, umzukehren! Insbesondere der hereinziehende Nebel machte uns Sorgen. Doch der Ehrgeiz hatte uns gepackt: Dieses Panorama wollten wir uns nicht entgehen lassen.
Mutige Bergsteiger - Nichtsahnend, wie diese Tour zu Ende gehen würde...
Um 18 Uhr erreichten wir erneut den Saddle auf 1400 Metern. Der schwierigste Teil war somit geschafft und nur noch die Zeit ein beunruhigender Faktor. Doch es blieb eine halbe Stunde, um zumindest den Kletterabschnitt und die Überquerung des Flusses im hellen hinter uns zu bringen.
Ich hatte allerdings ein Photo im Kopf, auf dem sich der Milford Sound und das beeindruckende Bergpanorama im Wasser eines kristallklaren Bergsees spiegelte. Um dieses Photo zu verwirklichen, sprang ich von Stein zu Stein auf der Suche nach dem perfekten Blickwinkel. Als mir auffiel, dass das Bild, welches ich mir in Gedanken ausgemalt hatte, aufgrund der Lichtverhältnisse nicht realisierbar war, machte ich kehrt und verlor in eben diesem Moment den Halt unter der Füßen.
Ich fiel etwa zwei Meter tief, konnte mich aber gerade noch abfangen, bevor ich ins Tal gepurzelt wäre. Dabei streifte ich mit dem rechten Daumen einen Felsen, woraufhin sich jener Finger nicht mehr bewegen ließ. Zunächst ging ich von einem Bruch aus, später sollte sich herausstellen, dass es sich um einen Strecksehnenriss handelte.
Aufgrund des Schocks wurde mir schwarz vor Augen und ich musste mich hinsetzen, nicht in der Lage mich fortzubewegen, geschweige denn zu klettern. Wir mussten warten bis sich der Schwindel gelegt hatte, bevor wir den Weg ins Tal antreten konnten. Unterdessen rannte uns die Zeit davon, nur noch 20 Minuten bis zum Sonnenuntergang!
Der Schwindel wollte nicht verschwinden und doch mussten wir das Risiko eingehen mit dem Abstieg zu beginnen. Die Tatsache, dass über Nacht Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts zu erwarten waren, ließ uns jegliche Alternativen vergessen. Immer wieder mussten wir kurze Pausen einlegen, wenn Schwindelattacken einsetzten. Zudem war ich nach dem Sturz auf Risikovermeidung bedacht, weshalb wir nur stockend voran kamen.
Als es dunkel wurde, hatten wir zumindest den Kletterabschnitt mit den Stahlseilen hinter uns gebracht, doch einige steile Passagen und die Überquerung des Flusses standen uns noch bevor. Hätte ich nicht per Zufall meine Stirnlampe eingepackt, wären wir von diesem Zeitpunkt an aufgeschmissen gewesen.
Anfangs hatte ich bereits erwähnt, dass es sich um eine unmarkierte Route handelte. Ihr könnt euch vermutlich vorstellen, wie schwierig es war, die von Trampern errichteten Steinhaufen im Dunkeln zu finden und damit den richtigen Weg einzuschlagen. Trotz der Umstände meisterten wir die restliche Strecke und erreichten eine Stunde nach Sonnenuntergang den Parkplatz.
Dieses Erlebnis wird uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben!
Bis heute bereue ich es nicht die Wanderung angetreten zu haben, auch wenn die Verletzung eine Operation zur Folge hatte, die 6 Wochen Sportpause bedeutete. Es scheint als würde ein Fluch auf den schönsten Tagen meiner Neuseelandreise liegen. Am Cape Reinga hatte unser Auto dran glauben müssen und diesmal mein Daumen. Naja, bissi Schwund ist immer! ;)